Das Ende kam nach 17 Jahren. Andreas und Ulrike Möckel hatten plötzlich soviel miteinander zu regeln wie nie zuvor in ihrer Ehe. Wer bleibt im Haus? Wer erzieht die beiden Kinder? Wie werden Vermögen und Schulden aufgeteilt? Völlig entfremdet und zerstritten fanden sie keinen Weg mehr, wie die gemeinsamen Probleme angegangen werden sollen. Der Gang zum Anwalt lag nahe, doch nach dem Rat eines Bekannten entschliessen sie sich zur Alternative, der Mediation: Die aussergerichtliche Verhandlung zwischen Konfliktparteien im Beisein eines allparteilichen Dritten (Mediator) mit dem Ziel einer gütlichen und vor allem eigenverantwortlichen Einigung.
Doch nicht nur Trennungen lassen sich so besser regeln. Auch Pfusch am Bau klärt man besser im gemeinsamen Gespräch als vor Gericht. "Baustreitigkeiten lassen sich fast nie mit juristischen Mitteln lösen", sagt Dingwort. Das koste nur viel Geld und Zeit für Gutachten, ohne dass die Mängel möglichst schnell beseitigt würden. Mediatoren schlichten auch bei Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber, bei Erbauseinandersetzungen, Streit zwischen Mieter und Vermieter und Nachbarschaftsstreit. Und auch die Wirtschaft hat längst die Vorteile der Mediation erkannt. "Kaufleute sind viel eher dazu bereit als Privatleute", hat Dingwort beobachtet. In Hamburg ist der Arbeitskreis Wirtschaftsmediation bei der Handelskammer etabliert. "Mediation bietet sich immer dort an, wo die Parteien ein Interesse an der Fortsetzung ihrer Beziehungen haben", sagt die Mediatorin Silke Schmitz-Wätjen. Das können Paare ebenso sein wie Kunde und Lieferant.
Grundsätzlich können alle Streitenden eine Mediation versuchen. Voraussetzung ist, dass beide Seiten eine Einigung wollen sowie gesprächs- und kompromissbereit sind. Ein Mediationsverfahren läuft in der Regel in Stufen ab. Zunächst muss in einem Einführungsgespräch geklärt werden, ob die Mediation beiden Parteien gerecht werden kann. Dann geht es in der Themensammlung um die Konflikte, die gelöst werden müssen. Das ist eine Phase, die von dem Mediator behutsam gesteuert wird. "Wir haben dazu verschiedene Kommunikationstechniken und viel psychologisches Geschick", sagt die Mediatorin Ulricke Eckardt. So soll jeder Verständnis für den anderen entwickeln. Erst dann kann nach Lösungen gesucht werden, die den Bedürfnissen und Interessen beider Seiten gerecht werden.
In der letzten Stufe werden die Ergebnisse schriftlich formuliert. Jeder kann die Ergebnisse vor der Unterzeichnung von einem Anwalt überprüfen lassen. Scheidungsfolgevereinbarungen müssen ohnehin von einem Notar beurkundet werden. "Was ausgehandelt wird, ist absolut verbindlich wie ein aussergerichtlicher Vergleich", sagt Dingwort. Da beide gleichberechtigt daran mitgewirkt haben, ist die Gefahr gering, dass sich einer doch nicht daran hält.
Nicht nur die überlasteten Gerichte mit langen Prozess- und Wartezeiten sprechen für eine Mediation. "Egal, wie der Richter entscheidet, das Verhältnis zwischen den Streitenden bleibt meist auf Dauer vergiftet". Zugleich wird mit einem Urteil nur der aktuelle Konflikt beigelegt. Künftige Interessen bleiben unberücksichtigt.
Weitere Vorteile der Mediation sind Zeit- und Kostenersparnis. Ein kompliziertes Scheidungsverfahren kann bis zu drei Jahre dauern und sehr teuer werden. Das Mediationsverfahren erstreckt sich in der Regel über fünf bis acht eineinhalbstündige Sitzungen.
Die Vorteile der Mediation sind inzwischen auch bei Gericht anerkannt. Im Rahmen der sogenannten gerichtsverbundenen Mediation sucht ein speziell ausgebildeter Richter das Gespräch mit den Parteien und ihren Anwälten, um eine Lösung jenseits der Paragraphen zu finden. Die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein praktizieren das bereits. Hamburg steht zwar der Mediation nicht skeptisch gegenüber, "nur sollte sie, um Gerichte wirklich zu entlasten, aussergerichtlich stattfinden", sagt Carsten Grote, Sprecher der Justizbehörde.
Hamburger Abendblatt vom 10.12.05 |